In einem der hochklassigsten Dressur-Wettbewerbe der olympischen Geschichte verwies Carl Friedrich Freiherr von Langen-Parow mit seinem Pferd Draufgänger bei den Olympischen Spielen 1928 in Amsterdam, mit 237, 42 Punkten den Franzosen Charles Marion auf Linon (231, 0 Punkte) und den Schweden Ragnar Olson auf Günstling (229, 78 Punkte) auf die Ehrenplätze. Die Prüfungszeit betrug damals zum ersten Mal 13 Minuten und das Dressur-Viereck erhielt seine bis heute unveränderten Maße von 20×60 Metern. Aber auch weiterhin – wie bei den olympischen Entscheidungen zuvor – musste der Galoppteil zwei Meter von der Einfassung entfernt geritten werden, wobei die Ecken der Bahn für den inneren Hufschlag gekennzeichnet waren.
Von Langen-Parow beherrschte die zweitägige Dressur-Entscheidung (am 10.08.1928 und 11.08.1928) – deutlicher als alle seine Vorgänger seit 1912! Seine weiteren dressursportlichen Ambitionen wurden jäh am 15. Juli 1934 gestoppt. Bei einem Military-Wettkampf in Döberitz verunglückte von Langen-Parow schwer. Wenige Tage später – am 3. August 1934 – erlag der herausragende Dressur-Reiter seinen Verletzungen.

Carl Friedrich Freiherr von Langen mit seinem Pferd “Draufgänger”. Gold Einzel und Mannschaft Olympiade 1928
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Das Gründungsjahr der FN ist 1905. 1930 konnte man also ein silbernes Jubiläum feiern. Der “Reichsverband für Zucht und Prüfung deutschen Warmbluts”, wie sich der Verein inzwischen nannte, erklärte dieses Jahr zum “Jahr des Pferdes”. Damals wurde die Aufteilung des Reitabzeichens in drei Klassen erstmals eingeführt: Bronze, Silber, Gold.
Wie heute auch noch, werden die ersten beiden Leistungsklassen durch Prüfungen erworben, während das goldene Reitabzeichen verliehen wird. Im Jahre 1930 bestehen knapp 2000 Kandidaten die Prüfung zur Grundklasse, 270 erwerben das silberne Reitabzeichen, acht mal wird das goldene verliehen.
Im “Jahr des Pferdes” soll sich, so wünscht sich der Reichsverband, Reiten zum Volkssport entwickeln. Erreichen will man dies mit preiswerten Reitkursen für alle Schichten der Bevölkerung an den Tattersalls der Städte, mit der Gründung neuer Reitervereine in den Zentren wie auf dem Lande sowie mit Reitunterricht an den höheren Schulen. Den Absatz der deutschen Pferde sollen Verkaufsmärkte in den Zuchtgebieten, teils am Rande der Turniere veranstaltet, die große Verkaufschau in Aachen mit rund 500 deutschen Pferden sowie umfangreiches Werbematerial in Form von Prospekten und Broschüren fördern.
- Susanne Hennig: 100 Jahre FN, Seite 74 -
Trotz der schlechten ökonomischen Situation gestaltet sich das Jubiläumsturnier in der Berliner Messehalle am Kaiserdamm zu einem gigantischen Erfolg. Damals wie heute arbeitet man mit wertvollen Preisen sowie “staatlichen Preisgeldern”, welche die besten deutschen Reiter sowie zahlreiche ausländische Equipen nach Berlin locken.
Die Italiener hatten mit der neuen Reitmethode des Rittmeisters Federico Caprilli über Jahrzehnte hinweg die Springplätze dominiert. Freiherr v. Langen war es gelungen, in Rom die Italiener zu schlagen. Im Jubiläumsjahr traten sie zum Nationenpreis “Coppa d’Oro Mussolini” allerdings gar nicht erst an.
Teilnehmer Graf Görtz schreibt in seinem Bericht über das 9tägige Turnier:
“Die Hindernisse sind die schwersten, die ich in zwanzigjähriger Praxis bislang erlebt habe. Dabei sind 90 Prozent fest und nur bei schweren Fehlern der Pferde fallend. (…) Bei manchen Hindernissen hielten wir es nicht für möglich, daß ein Pferd überhaupt drüber kommen könnte. So bei den Grabenkombinationen, wenn der Graben 4, 75 Meter breit und die Tripplebare darüber 1, 50 Meter hoch und 2, 25 Meter breit war. Und das Erstaunlichste von allem war, daß eigentlich die meisten Pferde gut herüberkamen. (…) Eine Unmenge Stürze, an einzelnen Tagen bis zu 24, sind bei so schweren Hindernissen kein Wunder, aber sie verliefen alle harmlos.”
“Die Tage in Rom werden zu einem weiteren Triumph der italienischen Reiter, die fast alle Hauptspringen mit Weile gewinnen. Die drei Deutschen Hanns Koerfer, Graf Wilhelm Hohenau und Graf Rudolf Görtz gehen leer aus. In keinem einzigen Springen sehen sie Chancen, die forsch reitenden italienischen Offiziere auf ihren springgewaltigen, schnellen Vollblütern zu schlagen. In der sicheren Erkenntnis, daß sie auch in der allerschwierigsten Prüfung, dem Nationenpreis “Coppa d’Oro Mussolini” scheitern, verzichten sie auf einen Start.”
- Susanne Hennig: 100 Jahre FN Seite 74 -
Beim großen Turnier in Aachen 1930 dominierten die Italiener ebenfalls; sowohl der Nationenpreis als auch der Große Preis gingen an Italien. Dafür entwickelte sich dieses Turnier zur bis dahin bedeutendsten Veranstaltung in Deutschland. Über 20.000 Menschen nahmen teil; die Kassenhäuschen mussten zeitweilig wegen zu großen Andrangs geschlossen werden.
Die Stimmung wurde durch die Freude über das Ende der Besetzung des Rheinlands noch angeheizt. Erstmals durften Offiziere der Reichswehr an den Start gehen. Reiter aus 14 Nationen nahmen teil, eine internationale Beteiligung, die bis dahin nur bei den Olympischen Spielen in Amsterdam 1928 verzeichnet wurde.
Anschließend gingen die deutschen Reiter auf Tournee nach Nordamerika und feierten in New York, Boston und Toronto Triumphe. Freilich ohne Konkurrenz durch die Italiener, die sich die Reise über den Atlantik nicht leisteten.
Im Jahre 1931 wendete sich das Blatt. Sieben Deutsche reisten nach Italien. Gleich das erste Springen des Tages gewann der Deutsche Kurt Hasse gegen 140 Konkurrenten, zwei seiner Kollegen blieben ebenfalls fehlerlos.
“Dieser deutsche Erfolg, der beim italienischen Publikum und den Konkurrenten im Parcours zugleich Überraschung und Bestürzung auslöst, ist erst der Anfang einer Reihe kaum erhoffter und für möglich gehaltener Triumphe.
Barnekow siegt mit General in einem weiteren Springen, in fast allen anderen Prüfungen finden sich die deutschen Reiter auf vorderen Plätzen wieder. Höhepunkt der Rom-Reise ist der Gewinn des Nationenpreises “Coppa d’Oro Mussolini”. [Equipechef v.] Waldenfels setzt mit Wotan unter Richard Sahla und Derby unter Kurt Hasse die beiden routiniertesten und besten Pferde ein. Mut beweist der Equipechef, die junge und noch recht unerfahrene Stute Tora mit ihrem Reiter Momm als drittes Pferd ins deutsche Team aufzunehmen. Tora zeichnet sich zwar durch enormes Springvermögen aus, ist jedoch noch nicht so regulierbar, wie es in einem solchen Springen erforderlich ist. Die Stute bestätigt das in sie gesetzte Vertrauen und leistet sich in den beiden Umläufen jeweils nur vier Fehler und einen Dreiviertel-Zeitfehler. Da Wotan und Derby zwei Nullrunden gelingen, rangiert die deutsche Mannschaft mit 8, 25 Fehlerpunkten souverän an der Spitze. Die erfolgsgewohnten Italiener müssen sich bei 15 Fehlern mit dem zweiten Platz beschreiben. An dritter Stelle folgen die Belgier (26 Fehler), alle weiteren Teams scheiden aus.”- Susanne Hennig: 100 Jahre FN -
Dieser “Goldpokal Mussolinis” ist ein Wanderpreis. Die Nation, die ihn dreimal in Folge gewinnt oder viermal insgesamt, darf ihn behalten. 1926 war Italien Sieger, 1927 und 1928 Frankreich. 1929 und 1930 siegten wieder die Italiener. Hätten die Italiener gewonnen, wäre der Pokal für immer in Italien geblieben. So wird das Entsetzen der Italiener noch verständlicher. In Aachen zeigten die Italiener den Deutschen aber wieder einmal, wer besser springen kann.
1932 galten die Deutschen in Italien wegen des Vorjahressieges natürlich als Favoriten. Sie siegten erneut. Die Italiener hatten zwar den Parcours verschärft, aber der Schuss ging nach hinten los. Das deutsche Team handelte sich 14,5 Fehlerpunkte ein, Frankreich 20, Italien 24.
Die Olympischen Spiele 1932 fanden in Los Angeles statt. Wegen der Weltwirtschaftskrise konnten die meisten Nationen die Kosten des Transportes über den Atlantik und quer durch den amerikanischen Kontinent nicht tragen. Außer den Amerikanern nahmen nur noch Mexiko, Frankreich, Holland, Schweden und Japan teil.

Italiens Regierungschef Mussolini überreicht dem deutschen Equipechef Freiherr v. Waldenfels den “Coppa d’Oro Mussolini”
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Am 30. Januar 1933, während des großen internationalen Winterturniers des “Reichsverbandes für Zucht und Prüfung deutschen Warmbluts” vom 27. Januar bis 5. Februar 1933 in den Berliner Messehallen, ernannte Reichspräsident Generalfeldmarschall Paul v. Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler.
Die ambitionierten Reiter traten alle in die Sa-Reiterstürme ein, die Reitvereine erhielten die Aufgabe, diese materiell und ideell zu unterstützen.

St. Georg, Titelbild 3. Aprilheft 1933
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“Der Mann, der Deutschland wieder in den Sattel setzte”
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Der Tilsiter Rennverein bittet zur Eröffnung der ostpreußischen Rennsaison Anfang März um einen Ehrenpreis für den Sieger im “Adolf-Hitler-Jagdrennen”. Die Reichskanzlei bewilligt dafür 500 RM.
Die Reiter aus dem westfälischen Halver hoffen auf einen Erinnerungspreis Adolf Hitlers und versichern Anfang April, dass sie
“nicht eher ruhen, bis auch der letzte Bauer treu zu seinem Pferde, seiner Scholle und zu unserem geliebten Vaterland steht”.
Der Hannoversche Rennverein plant ebenfalls Anfang April ein Rennen um den “Preis des Reichskanzlers” und verbindet seinen Antrag mit dem Bekenntnis zu der
“gewaltigen nationalen Bewegung”.
Zu Adolf Hitlers Geburtstag am 20. April 1933 schenken Reiter aus dem Kreis Verden-Aller dem Reichskanzler den vierjährigen Hannoveraner Wallach Armin v. Armring-Honorat. Es wird im St. Georg berichtet, dass Adolf Hitler das Pferd
“eingehend besichtigt und den Reitern, die es aus Verden brachten, seine Freude und seinen Dank ausgesprochen”
habe.
1933 holten die deutschen Reiter zum dritten Mal in Folge den Goldpokal Mussolinis als Sieg für den schwierigsten Nationenpreis der Welt, woraufhin dieser nun endgültig nach Deutschland ging. Neun Offiziere reisten mit 20 Pferden nach Rom, begleitet von Irmgard v. Opel und Baronin v. Oppenheim. 180 der besten Pferde Europas traten im Park der Villa Borghese an. Baronin v. Oppenheim gewann mit der Trakehnerstute Provinz das Amazonenspringen.
Im Nationenpreis “Coppa d’Oro Mussolini” sieht es zunächst keineswegs nach einem deutschen Sieger aus. Oberleutnant Momm als erster deutscher Starter im ersten Umlauf überwindet mit Baccarat die schweren Hindernisse bis zum drittletzten Sprung geradezu vorbildlich. Doch dann gelangen Reiter und Pferd so unglücklich an die Kombination, dass Baccarat verweigert und beinahe zu Boden geht. Momm wird aus dem Sattel geschleudert, reißt im Fall den zweiten Teil des Hindernisses ein und bleibt einen Augenblick bewusstlos liegen. Baccarat rennt davon und überwindet ohne Reiter im Sattel die letzten Hindernisse. Dem damaligen internationalen Reglement entsprechend scheidet Momm allerdings nicht aus. Er bekommt die größte Fehlerzahl, die im ersten Umlauf erzielt wird und zuzüglich 20 Strafpunkte.
Gustav Rau (Hippologe) schreibt in seinem Turnierbericht:
“Momm, der durch den Sturz halb bewusstlos war, brach drei Rippen und musste sich eine Stunde hin legen, da er eine schwere Stange des Hindernisses mit aller Wucht auf den Leib bekommen hatte.”
Die Verletzung hindert Momm jedoch nicht daran, auch im zweiten Umlauf zu starten. Auf Baccarat, der den Zwischenfall offenbar auch gut verkraftet hat, gelingt ihm ein hervorragende Ritt mit nur vier Fehlern.
Auch das erneute Bemühen der Italiener es den deutschen Gästen unmöglich zu machen den Goldpokal endgültig zu gewinnen ist nicht von Erfolg gekrönt. Wiederum über Nacht bauen sie einige zusätzliche Klippen in den Parcours ein, wie fast unsichtbare braune Ricks vor den Sprüngen oder Oxer, bei denen die beiden oberen Stangen genau auf derselben Höhe liegen, so dass die Pferde nur eine Stange sehen können und zu Fehlern verleitet werden. Alle Schikanen führen zwar tatsächlich zu zahlreichen Fehlern im gesamten Teilnehmerfeld, kaum aber bei den deutschen Reitern. Wotan unter Oberleutnant Sahla überwindet die Hindernisse in beiden Umläufen sogar fehlerfrei und gewinnt überlegen die Einzelwertung. Leutnant Brandt auf Tora und Oberleutnant v. Nagel auf Olaf plazieren sich mit jeweils nur vier Fehlern an zweiter und dritter Stelle der Einzelwertung, sodass der Ritt Momms als Streichergebnis aus der Wertung fällt. In der Summe also mit nur acht Fehlern belastet, gewinnt das deutsche Team weit überlegen die “Coppa d’Oro Mussolini”. An zweiter Stelle rangieren die italienischen Gastgeber mit 35 Fehlern vor Spanien (40), Polen (40,5), Belgien (48), Portugal (51) und Irland (68,5). Die Franzosen scheiden aus.
Oberleutnant Hermann Freiherr v. Nagel will daraufhin sein von ihm ausgebildetes und von Richard Sahla in der “Coppa d’Oro” gerittenes Pferd Wotan dem Reichskanzler Adolf Hitler schenken!
Anlässlich des Turnieres zur Grünen Woche schreibt Oberleutnant Freiherr v. Nagel am 26. Mai 1933 folgenden Brief an Adolf Hitler:
“An den Kanzler des Deutschen Reichs Herrn Adolf Hitler, Hochwohlgeboren!
Nachdem mein Pferd Wotan durch seine Erfolge in sieben verschiedenen Ländern das Ansehen und den Ruf der deutschen Pferdezucht verbreitet hat und nach seinem dreimaligen Siege in der Coppa d’Oro Mussolini in Rom von der öffentlichen Meinung zum Pferde der Nation erklärt wurde, kann Wotan nur noch einem gehören: Ihnen Herr Reichskanzler! Nehmen Sie das Pferd entgegen als einen Beweis der Verehrung und der Treue von Deutschlands Pferdezüchtern und Reitern. Mit dem Ausdruck meiner vorzüglichen Hochachtung habe ich die Ehre zu sein,
Euer Hochwohlgeboren ergebenster Freiherr Hermann von Nagel.”
Bereits einen Tag später antwortet Adolf Hitler telegraphisch. Beim Reichsverbandsturnier in Berlin anlässlich der DLG-Ausstellung verlas Gustav Rau vor mehreren 1000 Zuschauern das Schreiben des Führers.
München, 27. Mai, Telegramm des Reichskanzlers Adolf Hitler an Oberleutnant Freiherr v. Nagel:
“Ihren Brief mit der Mitteilung über das mir zugedachte kostbare Geschenk habe ich erhalten. So innerlich glücklich mich Ihr großherziger Entschluß macht, so schwer bedrückt mich aber doch die Erkenntnis des Wertes dieses einzigartigen Pferdes und seiner nationalen deutschen Aufgabe. Aus diesem inneren Gewissenskonflikt heraus bitte ich daher herzlichst, von dieser Zuwendung doch absehen zu wollen, denn es ist selbstverständlich, daß ich über die Zukunft des Wotan keine eigene Entscheidung treffen könnte und würde, sondern immer um Ihre Meinung bitten müßte. Ich bin glücklich, aus Ihrem großherzigen Schreiben den Beweis einer Sympathie ersehen zu können, die mich tief bewegt. Dafür möchte ich Ihnen nochmals von ganzem Herzen danken. Im übrigen bin ich ja ohnehin Mitbesitzer dieses Pferdes, denn es ist ja ganz gleich, wem es gehört, ein herrliches Eigentum und damit ein Stolz der deutschen Nation.
Adolf Hitler”
Herr Gustav Rau, so schreibt der St. Georg damals, bringt nach dem ergreifenden Schreiben ein “Sieg Heil” auf den Menschen, den Führer und den Volkskanzler Adolf Hitler aus, in das die Riesenmenge mit größter Begeisterung einstimmt.
Zu seiner Hochzeit im Jahre 1933, während des Aachener Turnieres, stellt sich der Oberleutnant Freiherr Hermann v. Nagel zusammen mit dem Ehrengast Hermann Göring stolz dem Fotografen des St. Georg für das Titelbild zur Verfügung.

Hermann Göring als Ehrengast bei der Hochzeit von Frl. von Cadenbach und dem erfolgreichen Springreiter Oberleutnant Freiherr von Nagel auf Schloss Rahe
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Gefährlicher Sport
Der Triumph in Italien 1933 war der Anfang. Der Triumph bei den Olympischen Spielen in Berlin 1936 war der Gipfel. In allen drei reiterlichen Disziplinen holte die deutsche Mannschaft Gold in der Einzel- und Mannschaftswertung. So etwas hat die Welt seither nie wieder gesehen.
Die Bedingungen haben sich inzwischen kaum geändert. Die Tendenz, die Anfang der dreißiger Jahre bei den Turnieren der Italiener sichtbar wurde, setzte sich fort und forderte schließlich ihre Opfer.
In Italien ging es noch relativ glimpflich ab. Zwar wurden die Hindernisse immer höher und gemeiner, so dass den Reitern Angst und Bange wurde, aber noch war niemand zu Tode gekommen. Die Verschärfung der Wettbewerbsbedingungen forderte schließlich 1934 mit dem Helden der Olympischen Spiele von Amsterdam 1928 sein erstes Todesopfer.
Freiherr v. Langen stürzte nicht von ungefähr. Die Hindernisbauer hatten offenbar den Ehrgeiz, die Latte immer höher zu legen und begriffen nicht, dass sie sich auf einem Irrweg befanden; sie gingen auf menschen- und pferdeverachtende Weise buchstäblich über Leichen.
Freiherr v. Langen tödlich verunglückt
Wenige Stunden nach dem Tod des Reichspräsidenten v. Hindenburg verliert der Pferdesport seinen prominentesten Vertreter: Freiherr v. Langen stürzte am 15. Juli 1934 mit seinem Pferd Irene bei der internationalen vorolympischen Vielseitigkeitsprüfung in Döberitz. Die Prüfung verläuft insgesamt katastrophal: Von den 23 durchaus routinierten und erfolgreichen Reitern aus dem In-und Ausland bleiben auf der Geländestrecke nur zwei in der Wertung. Die allermeisten stürzen, scheiden aus oder geben nach zu vielen Fehlern auf.
Auch Freiherr v. Langens Stute Irene schafft es nicht ein mächtiges Doppelrick zu überwinden, v. Langen fällt zu Boden, die Stute auf ihn. Der große Reiter, Deutschlands erster Olympiasieger, zieht sich einen Beckenbruch und mehrere lebensgefährliche innere Verletzungen zu. Eine Operation und intensivste medizinische Betreuung können sein Leben noch gut zwei Wochen verlängern. In der Nacht auf den 3. August stirbt v. Langen jedoch an heftigen inneren Blutungen. Der Gutsbesitzer aus Parow, wie viele Reiter und Züchter, war überzeugter Nationalsozialist. Die Eingliederung der ländlichen Reitervereine in die SA unterstützte er energisch, bekleidete den Rang eines SA-Obersturmbannführers und wurde Chefreiterführer in der Obersten Behörde für Leistungsprüfungen.

Freiherr v. Langen (in SA-Uniform) auf Irene in der Querfeldeinstrecke von Döberitz. Wenige Minuten später stürzt er. Nach zwei Wochen erliegt er seinen schweren Verletzungen
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Olympiade 1936
Die Dressur gestaltet sich meist unproblematisch und ist recht ungefährlich. Heinz Pollay siegt mit 15 Punkten Vorsprung; in der Mannschaftswertung führt Deutschland 228 Punkte vor Frankreich. Problematisch wird es aber bei der Military.

Heinz Pollay auf Kronos, Goldmedaille Einzel- und Mannschaft
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Die Vielseitigkeit weist die stattliche Anzahl von 19 teilnehmenden Nationen mit insgesamt 50 Reitern auf. 14 Länder schicken sogar komplette Mannschaften nach Berlin. Nach der Geländeprüfung auf der Militarystrecke von Döberitz ist das Feld auf 30 Pferde geschrumpft. Nur vier Mannschaften bleiben in der Wertung: Deutschland, Polen, Großbritannien und Tschechoslowakei. Die Ungarn und Dänen haben besonderes Pech: Mit je zwei Pferden rangieren sie nach dem Gelände unter den besten zehn Reitern und bei beiden Nationen machen ein Beinbruch beziehungsweise dreimaliges Verweigern und Ausschluss des dritten Mannschaftspferdes die Teamwertung zunichte. Andere Nationen finden gar nicht erst zu ihrer Leistung. Die Italiener beispielsweise bringen keines ihrer Paare ins Ziel.
Die deutschen Farben werden vertreten von Ludwig Stubbendorff mit dem elfjährigen Ostpreußen Nurmi v. Merkur, Konrad Freiherr v. Wangenheim mit dem achtjährigen Vollblüter Kurfürst xx v. St. Eloi und Rudolf Lippert mit dem 14jährigen Ostpreußen Fasan von Burkhardt. Stubbendorff und Nurmi gewinnen die Dressurprüfung, Lippert plaziert sich an zehnter Stelle. Da es kein Streichergebnis gibt, rutscht das deutsche Team durch die schlechte Leistung v. Wangenheims in der Zwischenwertung weit nach hinten. Der Oberleutnant, als 26jähriger der Jüngste der Military-Prüfung, erwischt einen schwarzen Tag, sein Pferd Kurfürst ist unkonzentriert, widersetzlich und zeigt keinen Schritt: Platz 46. Aber es soll noch schlimmer kommen.

Hauptmann Stubbendorff auf Nurmi über dem “Faschinengraben” in Döberitz (im Vordergrund der ausgeschiedene Italiener Feruzzi)
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Der von August Andreae gestaltete Geländekurs mit 35 Hindernissen fordert den Aktiven alles ab. Der inzwischen 69jährige Andreae, einst Begründer des Kartells für Reit- und Fahrsport, hatte die schlimmsten Klippen gleich zu Beginn der Strecke eingebaut, um schnell die schwächeren Pferde und Reiter auszusortieren. Sein Plan geht auf, wenngleich sicher nicht im Interesse der Reiter. Am 4. Hindernis – einem Teich mit vorangestelltem Koppelrick – sind extrem viele Opfer zu beklagen. 29 Pferde stürzen bei der Landung ins Wasser, überschlagen sich zum Teil und verlieren ihren Reiter. Dieses Schicksal ereilt auch v. Wangenheim, dessen Kurfürst sich, heftig im Wasser strampelnd, fünf Minuten lang nicht wieder einfangen lassen will. Dieser Zwischenfall kostet den Reiter viele Zeitstrafpunkte. Kurfürst hatte sich schon zuvor auf der Rennbahn arg ungestüm gebärdet und war auf den ersten Metern der Geländestrecke kaum zu bändigen. Nach dem Sturz setzt der Vollblüter die Prüfung in unbeirrt hoher Geschwindigkeit fort. Bei einem Hindernis, der Nr. 18, zur Halbzeit der Geländeprüfung, kann v. Wangenheim nicht verhindern, dass Kurfürst einen kapitalen Baumstamm streift, wobei sich der geplagte Reiter auch noch eine erhebliche, schmerzhafte Schulterverletzung zuzieht. Wider Erwarten erreicht das Paar dennoch das Ziel.
Derartige Unfälle und Missgeschicke können v. Wangenheims Mannschaftskameraden Lippert und Stubbendorff vermeiden. Stubbendorff und Nurmi passieren die Geländestrecke in 15 Minuten und 11 Sekunden als Schnellste.

Konrad v. Wangenheim und Kurfürst stürzen beim Einsprung in den großen Teich. Das Pferd lässt sich minutenlang nicht wieder einfangen
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Die Pechsträhne v. Wangenheims reißt auch im anschließenden Parcoursspringen nicht ab. Die Ärzte hatten einen Schlüsselbeinbruch an der linken Schulter und mehrere Zerrungen diagnostiziert und den linken Arm am Körper fixiert. Um den ungestümen Kurfürst überhaupt halten zu können, reitet v. Wangenheim ihn mit scharfer Zäumung. Der Ritt vor rund 100.000 Zuschauern im Olympiastadion beginnt verheißungsvoll, zumindest bis zum Aussprung der zweifachen Kombination. Hier kann der Reiter das Pferd nicht mehr regulieren, sodass, wie es in Gustav Rau’s Turnierbericht heißt,
“sich Herr von Wangenheim nur noch durch einen heftigen Insterburger, verbunden mit einem gewaltsamen Herumreißen des Pferdes nach links, helfen konnte. Kurfürst gehorchte, bäumte sich aber hoch auf, schlug gegen den Fang, brach in der Hinterhand zusammen und fiel hin. Der Wallach blieb, wohl betäubt, zunächst eine zeitlang liegen, die allen Zuschauern eine Ewigkeit dünkte. Dann brachte ihn der Reiter wieder hoch und bestieg ihn aufs Neue. Das Nehmen der letzten Hindernisse war dann wirklich ein Triumphritt, wie ihn nur selten ein Reiter getan hat.”
Natürlich weiß v. Wangenheim, dass von der Fortsetzung der Springprüfung, die nur vier Teilnehmer ohne Abwurf absolvieren, die Existenz der deutschen Mannschaft abhängt. So quält er sich mit großen Schmerzen ins Ziel und rettet die, dank der glänzenden Dressur- und Geländeergebnisse Stubbendorffs und des guten Abschneidens Lipperts, zum Greifen nahe Goldmedaille. Stubbendorff und Nurmi verlassen den Parcours mit nur einem Abwurf und sichern sich zudem Gold in der Einzelwertung.

Ludwig Stubbendorf auf Nurmi: Military-Olympiasieger in der Einzel- und Teamwertung
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Die 5. und 6. Goldmedaille der olympischen Reiterspiele von Berlin gewinnen die deutschen Springreiter. Sie stehen unter enormem Druck. Das Olympiastadion ist nicht nur ausverkauft, sondern restlos überfüllt. Über 120.000 Menschen wollen erleben ob es den Springreitern gelingt, auch noch die beiden letzten möglichen Goldmedaillen zu erreichen. Adolf Hitler und die gesamte nationalsozialistische Führung nehmen auf der Ehrentribüne Platz. Der Parcours, an Schwierigkeiten kaum zu übertreffen, fordert 20 Sprünge, darunter zwei zweifache und zwei dreifache Kombinationen. Optimisten mutmaßten im Vorfeld, dass es zehn Reitern gelingen könnte, den Kurs fehlerfrei zu überwinden. Sie sollten sich täuschen. Es schafft niemand. Nur mit einem Springfehler verlassen lediglich zwei Pferde die Bahn, eines davon die unerschrockene Stute Tora unter Kurt Hasse. Die Hälfte der Reiter handelt sich zwischen 20 und 28 Strafpunkte ein. Der schlechteste Reiter verlässt den Parcours sogar mit über 51 Strafpunkten. 13 der 54 gestarteten Reiter aus 18 Nationen kommen gar nicht erst bis zur Ziellinie. Alle Reiter der Mannschaften aus Rumänien, Schweden und England scheiden aus.

2 Goldmedaillen (Springen): Kurt Hasse und Tora
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Vergleichsweise souverän meistern die übrigen deutschen Reiter die Herausforderung: Heinz Brandt mit dem erst 7jährigen Hannoveraner Alchimist v. Amalfi sowie Marten v. Barnekow mit der 9jährigen Holsteiner Stute Nordland v. Nutznießer sammeln jeweils “nur” 20 Fehler und rangieren beide auf dem 16. Platz. Ohne die Leistung von Kurt Hasse und Tora wäre die Goldmedaille unerreichbar geblieben. Die zwölfjährige Ausnahmestute Tora, die von dem Hackney-Hengst Capenor Mormal Forester abstammt und ihr Reiter Kurt Hasse lassen sich von der Kulisse nicht beeindrucken und beenden die Prüfung mit nur einem Abwurf. Mit insgesamt 44 Fehlern sichert sich das deutsche Team Mannschafts-Gold vor Holland (Silber/51,5), Portugal (Bronze/56), Amerika (72,5), Schweiz (74,5), Japan (75) und Frankreich (75,25).
Ein Stechen bringt die Entscheidung um die Einzelmedaillen: Hasse und Tora treten gegen den rumänischen Oberleutnant Rang und den rumänischen Wallach Delfis an. Zwar machen beide Pferde wieder einen Fehler aber Hasse ist der Schnellere. Für den Stechparcours über fünf Sprünge benötigt Tora sagenhafte 13,5 Sekunden weniger als Delfis. Die Stimmung im Stadion über die 6. Goldmedaille für die deutschen Reiter lässt sich heute allenfalls erahnen. Gustav Rau beschreibt im St. Georg:
“Als der Sieg Toras nach dem Stechen feststand, erzitterte minutenlang das Reichssportfeld unter dem Beifall. Wer noch nicht wußte, was Enthusiasmus ist, der konnte das in jenen Minuten erleben.”
Nie wieder konnte seitdem eine Nation den Erfolg der drei deutschen Mannschaften wiederholen. Von sechs möglichen olympischen Goldmedaillen alle sechs zu gewinnen, wird wohl in der internationalen Reitsportgeschichte einmalig bleiben.
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“…reitet für Deutschland”
Die Vorlage zu diesem Film war Clemens Laars gleichnamige Biografie über den Reiter und Olympiasieger von 1928 Carl-Friedrich von Langen.
Teil 2
Der Film erhielt, nachdem er unmittelbar vor Ende der Dreharbeiten am 4. April 1941 die Zensur passiert hatte, die nationalsozialistischen Prädikate „Staatspolitisch wertvoll“ und „Jugendwert“.
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Verwendete Quellen:
Pferdewirtprüfung, Band 7
Equivox
Susanne Hennig: 100 Jahre FN
